Auf Durchzug geschaltete Jugendliche – Pubertätsstress zu Hause?

Ihr Sohn, ihre Tochter hat sich verändert. Ihr Kind hat nun eigene Interessen, ist dauernd in Kontakt mit seinen Freunden, vertritt vehement seine Meinung. Regelmäßige Streitereien, tagelanges Schweigen sind nicht selten. Gemeinsame Gespräche dagegen sind eher selten. Meistens sitzt ihr Kind stets mit gesenktem Kopf am Tisch und starrt auf sein Handy, in Kontakt mit Freunden. Gutgemeinte Ratschläge sind uncool und werden mit „Ach Mama, Ach Papa“ abgetan. Ihr sprichwörtliches Pubertier schaltet auf Durchzug.

Die Pubertät bedeutet Veränderung. Auch wenn Eltern in dieser Zeit in der Regel gute Nerven brauchen, ist es entlastend zu wissen: Das ist Normal. Kinder wollen sich mit in dem Alter der Pubertät nicht mehr rumkommandieren lassen. Sie hinterfragen die Werte und Normen der Eltern und sind auf der Suche nach ihrer eigenen Persönlichkeit, ihrem eigenen Weg, ihrem eignen Weltbild. Ihr Kind entwickelt seine eigene Identität, es macht seine eigenen Erfahrungen, es wird selbstständiger. Dies gehört zum Abnabelungsprozess.

Wie können Eltern ihr Pubertier erreichen?

Versuchen sie immer genau zu orten, wann sie die Aufmerksamkeit von ihrem Kind haben. In diesen guten Momenten, versuchen sie nicht zu viel und nichts Überflüssiges zu besprechen. Vermeiden sie Wiederholungen und ganz besonders das Gleiche auf die gleiche Art und Weise zu sagen. Hier schaltet das Kind sofort auf Durchzug. Erinnern sie sich an ihre Zeit in ihrer Jugend, wie wären sie damals gerne angesprochen worden? Hilfreich ist auch vorher „anzuklopfen“, fragen sie ob es gerade passt oder wann es passen würde. Gute Momente sind auch Zeiten, wenn keine Medien die Aufmerksamkeit stören, z.b. beim Essen. Wenn es ganz schwierig ist, machen sie einen Termin für eine Art „Familienrat“, wo jeder die Chance bekommt auszuwerten was gut läuft und was anders laufen sollte. Hier können sie auch direkt fragen: Wie kann ich mit dir sprechen, dass du mir zuhörst? Wichtig ist generell auf Augenhöhe zu sprechen!

Auch wenn es manchmal anstrengend ist, viele Jugendliche sind sehr diskussionsfreudig. Sie wollen Missstände anprangern, Ungerechtigkeiten ansprechen, die Wahrheit wissen, neues kennen lernen. Wie Jugendliche die Welt wahrnehmen kann für Eltern sehr bereichernd sein. Nehmen sie Anteil an dem was die Jugendlichen interessiert, auch wenn man selbst gar keinen Zugang dazu hat. Fragen sie nach ohne zu werten, hören sie zu ohne gleich Stellung zu beziehen, Antworten auf nicht gestellte Fragen zu geben. Beim gemeinsamen Austausch lernen sowohl die Eltern als auch die Kinder.

Absolut tabu sollte es sein, diese guten Momente nicht für ein Verhör auszunutzen. Jugendliche sollen wissen, dass man auch gemeinsam was tun kann, ohne gleich wieder nach der Schule oder einem anderen Dauerthema gefragt zu werden, so haben sie auch eher Lust, etwas Gemeinsames zu unternehmen. Überprüfen sie ihre innere Haltung: Wollen sie kontrollieren oder sind sie wirklich interessiert? So sind Fragen wie: „wie gefällt es dir in der Schule, hast du Spaß? Besser als „wie war es in der Schule?“. Elisabeth Raffauf, Diplom-Psychologin und Autorin sagt, dass „Verhöre, Vorträge, Vorwürfe“ – die 3 roten „V“ sind in der Eltern-Kind-Beziehung. Hier schalten Kinder und Jugendliche auf Durchzug. Die 3 grünen „V“ sind dagegen: Vertrauen, Vorbild sein und Verstehen. Begegnen sie ihrem Kind wertschätzend, seinen Interessen oder aber auch seinen Freunden*Innen gegenüber.

Haben sie keine Angst vor Konflikten. Laut Diplompädagoge Winter sind Konflikte Beziehungsarbeit, da ein Streit bedeutet, dass Gefühle vorhanden sind, eine Beziehung da ist. In einem Konflikt setzen sie sich mit dem Gegenüber auseinander und sind verbunden über die Emotionen. Bei einem Konflikt will ihr Kind gleichzeitig mit Ihnen in Beziehung bleiben und sich absetzen.

Hilfreich ist auch die Erwartung herunterzuholen, nicht immer die Beziehung optimal gestalten zu können. Es wird gute Momente geben; es wird aber auch Situationen geben, die Sie auf die Probe stellen. Einerseits wollen Sie Ihr Kind unterstützen, ihm den nötigen Freiraum lassen, andererseits wollen sie ihr Kind schützen. Sie erleben innere Konflikte. Loslassen ist nicht leicht.

Auch wenn es für Eltern nicht immer so einfach ist, man kann Jugendlichen ruhig schon was zutrauen. Hier kann es hilfreich sein auch immer mal die guten Seiten in den Blick zu nehmen, wie Kinder autonom werden, wie sie sich entwickeln, wie sie Lebensentscheidungen treffen, wie sie ihre Talente entfalten.

 

Generell kann man wohl sagen, dass die Pubertät der eigenen Kinder stets eine Herausforderung ist und Eltern manchmal Sorgen bereitet; sie fühlen sich gefordert, auch mal überfordert. Sie wünschen sich Hilfe und Unterstützung – und das ist in Ordnung!

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